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Chile: ein Eldorado für die Astronomie nicht nur auf den Anden, sondern auch in der Schule! 

 

Den Geheimnissen des Weltalls auf die Spur zu kommen ist eine Aufgabe, der sich

der Astronom stellt. Genauso bedeutsam ist es, das bekannte Wissen vom Weltraum in der Schule weiterzugeben. Der Erfolg des Astronomen misst sich am Anklang seiner Veröffentlichungen, der des Astronomielehrers an den Leistungen und zum Teil auch an den späteren Lebenswegen der Schüler. Didaktische Hingabe ist genauso wichtig wie Forschergeist.

 

Das hier vorgestellte Projekt hat zum Ziel, in Deutschland über Jahrzehnte hinweg angesammeltes astronomiedidaktisches Wissen an die Astronomielehrer in Chiles Schulen weiterzugeben und dabei auch für den Astronomieunterricht an deutschen Schulen etwas zu lernen. Dazu muss erwähnt werden, dass in den chilenischen Schulen die Astronomie im Fach „Ciencias de la Tierra y del Universo“ – für alle Schüler! – einen wichtigen Platz einnimmt.

Umrisse des Didaktik-Projektes

 

Im Jahr 2010 erblickte ein Projekt das Licht der Welt, das heute Chile und Deutschland auch auf dem Gebiet der Astronomiedidaktik verbindet. 

Der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) hatte die weltweite Einrichtung einiger Exzellenzzentren für Forschung und Lehre ausgelobt. Die Universität Heidelberg war unter den Gewinnern der Ausschreibung und konnte ihr bereits in Santiago de Chile existierendes Lateinamerikazentrum durch einige Fachrichtungen ergänzen, darunter auch durch die in Chile bedeutsame Astronomie. Cecilia Scorza, damals am Haus der Astronomie auf dem Königstuhl (HdA) und gleichzeitig an der Universität Heidelberg tätig, nutzte die Chance, um dem Exzellenzzentrum die Stärken des HdA zu Gute kommen zu lassen. Damit startete das von zwei Mitarbeitern des HdA getragene Teilprojekt „Astronomiedidaktik“ des Exzellenzzentrums zur Unterstützung der Schulastronomie in Chile. 

 

Unsere erste Idee sah vor, geeignete am HdA entwickelte didaktische Materialien im Rahmen von Lehrerfortbildungen in Chile zum Einsatz zu bringen. Aber schnell wurde klar, dass dies langfristig nur dann funktionieren kann, wenn speziell dazu ausgebildete chilenische Astronomielehrer die Fortbildungskurse für ihre Kollegen in Chile selbst durchführen können. So kamen 2012 die ersten zwei Lehrer aus Chile ans HdA, um sich selbst astronomiedidaktisch als Lehrerfortbildner ausbilden zu lassen. Seit 2015 kommen jährlich in der Regel drei chilenische Lehrer für einen zweiwöchigen Fortbildungsaufenthalt ans HdA, und mittlerweile sind in Chile 15 chilenische Lehrerfortbildner für das Fach Astronomie aktiv. 

Um diese Lehrerfortbildner jeweils bei ihrem ersten Einsatz in Chile zu unterstützen, haben wir bis heute (Stand 2020) während sieben mehrwöchiger Aufenthalte zu Beginn der chilenischen Sommerferien (im Januar) gemeinsam mit ihnen an zehn verschiedenen Orten in Chile insgesamt 21 zweitägige Lehrerfortbildungen zur Astronomie durchgeführt. Dabei konnten wir insgesamt etwa 1200 chilenische Lehrer erreichen. 

 

In der dritten und letzten Projektphase bis Mitte 2024 werden zwölf weitere Lehrer aus Chile zunächst für zwei Wochen ans HdA kommen und dann bei vier weiteren Lehrerfortbildungsaktionen in Chile, auch wieder mit Heidelberger Unterstützung, erstmalig selbst zum Einsatz gelangen. 

 

Aufbau eines stabilen Lehrernetzwerks in Chile

 

Die Frage „Was bleibt?“ bewegte uns von Anfang an. Um zu erreichen, dass die astronomiedidaktische Unterstützung der Lehrer in Chile auch nach Auslaufen des Projektes gewährleistet ist, besteht die vordringlichste Aufgabe darin, ein Lehrernetzwerk in Chile zu etablieren. Dieses Netzwerk rekrutiert sich zurzeit aus den Lehrern, die im Rahmen unseres Projektes am HdA fortgebildet wurden.

 

Der mittlerweile bei jedem Fortbildungsgang in Chile stattfindende „Runde Tisch“, wichtig für das gegenseitige Kennenlernen und die Abstimmung der weiteren Aufgaben, zeigt, dass das chilenische Lehrernetzwerk zur Astronomie gereift ist und sich aus einer Gruppe von Einzelpersonen zu einem echten Team entwickelt hat, in dem Verantwortung übernommen wird. So haben die Netzwerklehrer bereits verschiedene Aufgaben (Organisation, Kommunikation, Entwicklung, …) unter einander verteilt. In Zukunft werden die Mitglieder des Netzwerks die Lehrerfortbildungen nicht nur begleiten, sondern auch vor Ort eigenständig organisieren. Und auch die Entwicklung didaktischer Materialien nehmen sie mehr und mehr in die eigenen Hände.

Netzwerke kommen in Kontakt

 

Seit 2016 besteht für die Lehrer des Partnerschulnetzwerks des HdA und darüber hinaus die Möglichkeit, auf eigene Kosten einen Teil der Fortbildungsreise in Chile zu begleiten. Bei ihrem Chile-Aufenthalt reisen die deutschen Lehrer gemeinsam mit dem Fortbildung-team des chilenischen Lehrernetzwerks zur Astronomie an der Schule und in der Forschung.im Norden Chiles. Dabei stellen sie im Rahmen einer Lehrerfortbildung die astronomische Bildungsarbeit an ihren Schulen in Deutschland vor und besuchen eine Schule vor Ort. Weiterhin stehen einmalige Ganztagesbesuche von Großobservatorien (Very Large Telescope und ALMA) und Nachtbeobachtungen in der Atacama-Wüste auf dem Programm. All dies sorgt für einen großen Zugewinn an Wissen aus eigener Erfahrung und eine langanhaltende Motivation, die sich für ihre weitere Tätigkeit sehr positiv auswirkt. Zudem entstehen Kontakte zwischen deutschen und chilenischen Lehrern oder gar Schulen.

 

Koffer, die es in sich haben

 

Ohne geeignetes Werkzeug kann kein gutes Produkt entstehen. Entsprechend benötigen Lehrer ein didaktisches Instrumentarium, welches über das Netzwerk der Astronomielehrer bereitgestellt wird. Die didaktischen Materialien (Modelle, Experimente, Arbeitsblätter, …) sollen das Lehren durch Veranschaulichungen und Demonstrationen vereinfachen und das Lernen durch Förderung der Schüleraktivität anregen.

 

Von Anbeginn des Projekts wurden spanischsprachige didaktische Arbeitsmaterialien (mittlerweile auch von einigen Lehrern aus dem chilenischen Lehrernetzwerk) erstellt, die in einer Cloud für jedermann zur Verfügung stehen (http://sdrv.ms/1i4JWVV). Dabei wurden auch einige Beiträge aus dem am HdA ansässigen WIS-Projekt (Wissenschaft in die Schulen!, www.wissenschaft-schulen.de) übersetzt, und umgekehrt finden neue WIS-Beiträge ihre Inspiration im Chile-Projekt.

Zum Instrumentarium gehören aber unbedingt auch handgreifliche Modelle und einfache Experimente, die bei den Lehrerfortbildungen zum Einsatz kommen. Diese sind so gestaltet, dass sie ohne großen Aufwand und sehr kostengünstig gestaltet oder beschafft werden können. 

Das chilenische Lehrernetzwerk verfügt derzeit über sechs Materialkoffer, deren Inhalte jeweils mehreren Teilgruppen einer Gruppe von Fortzubildenden oder einer Schulklasse die aktive Auseinandersetzung mit verschiedenen Themen der Schulastronomie 

ermöglichen.

 

Fazit

 

Wer die Lehrerfortbildungen zur Astronomie in Chile erlebt, der stellt fest, dass die chilenischen Netzwerklehrer mit großem Enthusiasmus agieren und bei den Fortbildungsteilnehmern echte Begeisterung erzeugen. Dies nehmen wir nach Deutschland gerne mit.

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