Projekte mit dem Seestar-Smartteleskop
Bachelor- und Masterarbeiten
Motivation: Automatisierte Mini-Teleskope wie das ZWO Seestar S50 oder das Seestar S30 ermöglichen Astrofotografie in so einfacher Weise wie nie zuvor. Selbst die Möglichkeit, Schüler*innen solche Teleskope leihweise mit nach Hause zu geben und sie dort eigenständig nächtliche Beobachtungen vornehmen zu lassen, steht im Raum. Im Rahmen von Bachelor- oder Masterarbeiten am Haus der Astronomie wollen wir die praktischen Möglichkeiten dieser Art von Teleskop genauer erkunden.
Ziel der Arbeiten: Jenseits der (in der Tat ja sehr attraktiven!) schönen digitalen Bilder, die mit diesen Teleskopen möglich sind, geht es uns dabei darum, welche Arten von wissenschaftlichem Arbeiten möglich sind. Die Beobachtungsdaten lassen sich bei den Seestar-Teleskopen in dem in der astronomischen Forschung üblichen FITS-Format abspeichern und von dort aus mit fertiger Software oder mit einfachen Python-Skripten weiterverarbeiten.
Insbesondere interessiert uns dabei, was sich zu den folgenden vier für den Astronomie- bzw. Physikunterricht in Baden-Württemberg relevanten Themen aus den Mini-Teleskopen "herausholen" lässt, die jeweils zu einer eigenen Bachelor- bzw. Masterarbeit ausgearbeitet werden können:

(a) Eigenschaften von Galaxien: Hier lassen sich aus entsprechenden Aufnahmen die Helligkeitsprofile von Galaxien bestimmen sowie einfache statistische Abschätzungen zu Größen und der Verteilung der Orientierungen und Formen (als Spielzeugmodell für die Messungen der Euclid-Mission) vornehmen.
(b) Sterne in Sternhaufen: Aus der Beobachtung von offenen und Kugelsternhaufen lassen sich Rückschlüsse auf Haufeneigenschaften bis hin zu Entfernung und Alter jener Objekte ziehen. Wichtiger Schritt ist dabei die automatische Extraktion der Sternpositionen und -helligkeiten mit geeigneter (anpassbarer) Software; die dabei gewonnenen Daten können mit jenen des ESA-Astrometriesatelliten Gaia abgeglichen werden. So sollte sich insbesondere ein Farben-Helligkeitsdiagramm erstellen lassen: mit Hilfe der Gaia-Daten sollte es möglich sein, die Seestar-Messungen von Farben und Helligkeiten ganz allgemein zu kalibrieren. Aus dem Farben-Helligkeitsdiagramm wiederum lässt sich vergleichsweise einfach die Entfernung des Sternhaufens bestimmen. Vergleiche mit (öffentlich zugänglichen) Simulationsdaten erlauben sogar eine Abschätzung des Alters.

(c) Zeitliche Veränderlichkeit: Zahlreiche Sterne haben zeitlich veränderliche Helligkeiten. Von pulsierenden Cepheiden bis hin zu Bedeckungsveränderlichen sind verschiedene physikalische Prozesse dafür verantwortlich, dass bestimmte Sterne mit der Zeit in regelmäßiger Weise heller oder leuchtschwächer werden. Relative Helligkeitsschwankungen lassen sich durch den Vergleich mit benachbarten Objekten (angenommen) konstanter Helligkeit quantifizieren. Im Prinzip sind auf diese Weise auch Exoplaneten um Sternen nachweisbar (Transitmethode). Praktische Versuche zu diesem Thema sollten ergänzt werden durch eine Abschätzung, wie genau die möglichen Helligkeitsmessungen mit dem Seestar sind.
(d) Bewegungen von Sonnensystemobjekten: Planeten und insbesondere auch Asteroiden bewegen sich am Himmel vor dem Hintergrund der Fixsterne. Je nach Schnelligkeit der Bewegung und der Helligkeit des beobachteten Objekts lassen sich diese Bewegungen mehr oder weniger genau verfolgen. Das erlaubt Rückschlüsse auf die jeweiligen Umlaufbahnen - womit sich nicht zuletzt ein spannendes Kapitel aus der Astronomiegeschichte des frühen 19. Jahrhunderts zumindest ansatzweise nachvollziehen lässt.
Voraussetzungen: Für die jeweilige Abschlussarbeit wird jeweils ein ZWO Seestar S50- oder S30-Teleskop leihweise zur Verfügung gestellt, mit denen sie eigene Beobachtungen durchgeführt werden sollen. Für die Auswertungen sind Grundkenntnisse in Python hilfreich und zumindest die Bereitschaft, sich in die Grundlagen jener Programmiersprache und/oder speziellerer Auswertesoftware einzuarbeiten, wird erwartet.
Literatur: Markus Pössel: A Beginner's Guide to Working with Astronomical Data