Stellungnahme der Astronomischen Gesellschaft

Die Stellungnahme der Astronomischen Gesellschaft zu den  Bildungsplänen 2016 in Baden-Württemberg:

Mit großem Erstaunen und Unverständnis nimmt die Astronomische Gesellschaft zur Kenntnis, dass im Entwurf zu den Bildungsplänen 2016 in Baden-Württemberg offenbar wichtige Inhalte zur naturwissenschaftlichen Grundbildung und insbesondere auch im Fachgebiet Astronomie drastisch gestrichen werden sollen – und das ausgerechnet im Fach „Naturwissenschaft und Technik".

Sollten diese Pläne in die Tat umgesetzt werden, verliert der naturwissenschaftliche Unterricht in Baden-Württemberg (und damit auch die Wissenschaft selbst) dramatisch an Attraktivität für Schülerinnen und Schüler. Insbesondere mit der Astronomie würde jenes Thema aus dem Unterricht verbannt, welches nachweislich wie kein anderes aktuelles Forschungsgebiet in der Lage ist, dem auch von der Politik oft beklagtem Desinteresse der jungen Generation an Naturwissenschaften entgegenzuwirken. Keine anderen Gebiete naturwissenschaftlicher Grundlagenforschung sind seit Jahren in Öffentlichkeit und Medien so präsent und beliebt, wie die Weltraumwissenschaften. Und die vielfältige Erfahrung der in Forschung und Bildung mit diesen Themen befassten Wissenschaftlern und Lehrern zeigt, dass die Astronomie Dank der von ihr ausgeübten Faszination erfolgreich als „Trojanisches Pferd“ bei jungen Menschen dienen kann, um auch allgemeines naturwissenschaftliches Grundwissen zu vermitteln.

Darüber hinaus würde die drastische Streichung naturwissenschaftlicher Inhalte mit Bezug zur Astronomie den Wegfall der  Vermittlung ganz fundamentaler Einsichten zur Folge haben: Einsichten über den Zusammenhang zwischen dem Menschen und seiner Umwelt auf dem Planeten Erde und über die Stellung der Erde im Kosmos mit dem Menschen als Teil der biologischen Evolution.

Dies wäre ein fatales Signal in einer Zeit, in der täglich in der Öffentlichkeit Themen wie die Suche nach Planeten um andere Sterne, die gesellschaftlichen Konsequenzen der Entdeckung außerirdischer Lebensformen, die Gefahr von Asteroideneinschlägen auf der Erde, Raumfahrtprojekte wie die ISS oder Rosetta/Philae, oder die zukünftige Besiedelung von Mond und Mars durch den Menschen diskutiert  werden.

Diese Themen beschäftigen sowohl die Wissenschaft, als auch die interessierten Menschen im Alltag – und dabei insbesondere Jugendliche. Die Medien berichten täglich darüber und selbst Hollywood nutzt die Attraktivität dieser Inhalte. Dass die Astronomie in den öffentlichen Medien eine feste Größe und bei Produzenten und Publikum gleichermaßen beliebt ist, sagt viel aus im Zeitalter der Quotenmaximierung der Medien.

Diese an sich positive Tatsache birgt aber auch Probleme. Nicht jede Berichterstattung ist inhaltlich und didaktisch gut. Umso mehr ist es von großer Wichtigkeit, jungen Menschen das nötige Wissen zu vermitteln, um an der gesellschaftlichen Diskussion über diese Themen teilnehmen zu können.

Will man dies nur den Medien oder älteren Menschen überlassen? Zumindest in Baden-Württemberg? Dabei wirbt das Land doch damit, Vorreiter in Sachen Bildung und Wissenschaft zu sein.

Natürlich sind die nun offenbar als großer Schwerpunkt im NWT-Unterricht vorgesehenen Technik-Themen als Bereiche der angewandten Wissenschaft heute sehr wichtig. Doch gerade auch hier punkten Weltraumwissenschaften enorm. Die notwendigen Innovationen und Herausforderungen in Bereichen wie Optik, Kryotechnologie, Feinmechanik, Materialwissenschaften, Softwareentwicklung, Elektronik, Detektoren, Kameratechnik, Robotik, Steuerungsmechanismen usw. werden oftmals gerade bei Fragen rund um die Instrumentierung für Großteleskope und Weltraumfahrtprojekte so forciert, dass Grenzen gesprengt werden, die zuvor als unüberwindbar erschienen. Auch und gerade in Baden-Württemberg zeugen davon einige der wichtigsten Institutionen mit Weltruf im universitären und außeruniversitären Bereich.

Die Astronomische Gesellschaft hält es daher für dringend erforderlich und würde es sehr begrüßen, wenn die Bildungspläne 2016 in Baden-Württemberg überdacht werden. Es muss gewährleistet bleiben, dass das Fach „Naturwissenschaft und Technik“ seinen (Doppel)Namen auch in Zukunft mit voller Berechtigung trägt.

Der Vorstand der Astronomischen Gesellschaft:

Wolfgang Fiedler, Henfling-Gymnasium Meiningen (Vorstandsmitglied ohne Amt) Prof. Dr. Susanne Hüttemeister, Planetarium Bochum (Rendantin)

Dr. Klaus Jäger, Max-Planck-Institut für Astronomie Heidelberg (Pressereferent)

Dr. Sonja Schuh, Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung Göttingen (Vorstandsmitglied ohne Amt) Prof. Dr. Matthias Steinmetz, Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam (AIP) (Präsident)

Dipl.-Phys. Regina von Berlepsch, Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam (AIP) (Schriftführerin)

Prof. Dr. Joachim Wambsganß, Zentrum für Astronomie der Universität Heidelberg (ZAH) (Vizepräsident)


Die Astronomische Gesellschaft (AG) ist eine Organisation zur Förderung der Wissenschaft. Zu ihren wichtigsten Aktivitäten zählen: die Durchführung von wissenschaftlichen Tagungen, die Herausgabe von Publikationen, die Förderung junger Astronomen, die Auszeichnung hervorragender Wissenschaftler, sowie die Öffentlichkeitsarbeit und Bildung. Weitere Informationen finden Sie unter www.astronomische-gesellschaft.org.

Kontakt: Klaus Jäger

Pressesprecher der Astronomischen Gesellschaft
Max-Planck-Institut für Astronomie, Königstuhl 17, 69117 Heidelberg

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